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Die rechtliche Aufarbeitung medizinischer Gräueltaten im Dritten Reich erweist sich als schwierig

Die Liste der Menschenrechtsverletzungen von Medizinerinnen und Medizinern während des Nationalsozialismus ist lang und entsetzlich. Über einen Zeitraum von drei Jahren haben der Medizinhistoriker Volker Roelcke aus Gießen und seine Kollegen aus verschiedenen Ländern untersucht, welche Lehren daraus noch heute gezogen werden müssen.

Diese Untersuchungskommission wurde von der renommierten medizinischen Fachzeitschrift "The Lancet" einberufen und trug den Titel: "Medizin, Nationalsozialismus und der Holocaust: Historische Erkenntnisse, aktuelle Schlussfolgerungen, zukünftige Lehren".

Eine ihrer wichtigsten Schlussfolgerungen lautete: Auf globaler Ebene sollten angehende Ärzte sowie anderes medizinisches Personal in ihrer Ausbildung die Verbrechen innerhalb der Medizin während des Nationalsozialismus behandeln und deren Konsequenzen im beruflichen Alltag reflektieren.

Wie waren die Mediziner involviert?

Das Regime hatte eine große Anzahl von Medizinern und anderem medizinischem Personal in die Gesundheits-, Sozial- und Bevölkerungspolitik eingebunden. Diese waren an rassistisch motivierten Selektionsmaßnahmen beteiligt, sowie an Massensterilisationen von Menschen, die als erbkrank diagnostiziert wurden.

Auch haben sie aktiv bei der systematischen Tötung von als "lebensunwert" klassifizierten Personen mitgewirkt - wiederum auf Empfehlung der Ärzte, nicht der Politiker. Sie spielten auch eine maßgebliche Rolle bei erzwungenen Forschungsprojekten in Konzentrationslagern, psychiatrischen Anstalten und Krankenhäusern in den besetzten Gebieten. Zudem waren Ärzte ebenfalls involviert in der Auswahl für den Holocaust.

Hätten die Ärzte sich weigern oder wehren können?

Es gibt nur wenige dokumentierte Fälle, in denen Widerstand und Verweigerung gegen das NS-Regime stattfanden. Die Mehrheit der Ärzte, ungefähr 55 %, waren Mitglieder der NSDAP. Wenn man dieser Zahl den Anteil von 25 % - 30 % Mitgliedschaft anderer akademischer Berufe, wie Lehrer oder Juristen, gegenüberstellt, kann eine gewisse Gewogenheit der Mediziner gegenüber dem Regime nicht übersehen werden.

Trotz allem hatten Ärzte einen gewissen Spielraum für ihre Handlungen und deren Umsetzung. Dies zeigt sich daran, dass viele Ärzte trotz des von der Regierung erlassenen Gesetzes Patienten mit möglichen Erbkrankheiten wie Epilepsie nicht gemeldet haben. Es gab auch Fälle, in denen Ärzte die systematischen Tötungen von Kranken, also die Euthanasie, abgelehnt oder auch Deportationen in Tötungsanstalten verhindert haben.

Das bedeutet, es war durchaus möglich, Widerstand zu leisten und dabei unbeschadet davonzukommen. Diese Erkenntnis ist heute bekannt.

Wer waren die Opfer?

Es gibt diverse Gruppen von Menschen, die Opfer wurden, darunter auch in gewisser Weise Mediziner, die als jüdisch identifiziert wurden. Sie wurden ab 1933 systematisch aus den medizinischen Verbänden und Organisationen herausgedrängt.

Ab 1933/1934 wurde ein Gesetz eingeführt, welches zur Sterilisation von sogenannten erbkranken Menschen führte. Des Weiteren fielen über 200.000 psychisch kranke und behinderte Personen ärztlicher Selektion zum Opfer und wurden getötet.

Eine weitere Gruppe bildeten jene Menschen, die zu unfreiwilligen Versuchspersonen brutaler Forschungsvorhaben gemacht wurden - oft in psychiatrischen Anstalten oder Konzentrationslagern; dabei handelte es sich größtenteils um jüdische Personen.

Ärzte wurden nach Kriegsende selten zur Rechenschaft gezogen

Zunächst fand eine erste Phase der sogenannten "Entnazifizierung" durch die Alliierten statt, gefolgt von einer juristischen Aufarbeitung durch die Besatzungsbehörden, bei der auch Todesurteile ausgesprochen wurden. Doch insgesamt waren dies nur wenige Verfahren.

Darüber hinaus tauchten viele Täter ab und flohen nach Südamerika. Es gab außerdem Richter mit Vergangenheit als Nazis, welche nicht gewillt waren, ernsthafte Verfahren gegen angeklagte Mediziner durchzuführen.

Insgesamt wurden nur sehr wenige Ärzte angeklagt und noch weniger wurden verurteilt. Diese rechtliche Aufarbeitung stellt ein trauriges Drama dar.



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