Wolfgang Putz, Anwalt für Medizinrecht, berichtet, dass sich seine Mandanten vor allem aus den Reihen von Familienangehörigen von schwerkranken Menschen an ihn wenden.
Diese Patienten können in der Regel ihren Willen nicht mehr äußern, etwa wenn sie im Koma liegen oder künstlich ernährt und beatmet werden. Die Angehörigen sind häufig der Überzeugung, dass der Patient niemals einer leidensverlängernden Behandlung zugestimmt hätte, was in einer Patientenverfügung oder auch durch mündliche Bekundungen festgehalten wurde.
Dennoch sehen sich die Familien mit der Situation konfrontiert, dass Ärzte oft gegen den dokumentierten Willen der Patienten handeln.
Bei der Überprüfung solcher Vorwürfe konzentriert sich Putz zunächst auf die rechtliche Grundlage der vorliegenden Patientenverfügung. Wesentlich ist, dass diese konkret behandlungsbezogene Verbote enthält, wie etwa die Ablehnung von künstlicher Beatmung oder der Ernährung über eine Magensonde.
Zudem sollte die Verfügung bestätigen, dass im Falle des natürlichen Sterbeprozesses eine symptomatische Linderung durch Palliativmedizin zu erwarten ist.
Wenn die konkrete Situation durch die Patientenverfügung abgedeckt ist, ist diese rechtsverbindlich, und Ärzte haben keine Erlaubnis, sich darüber hinwegzusetzen.
Trotz der klaren Vorgaben setzen sich einige Ärzte über die Patientenverfügungen hinweg. Putz führt häufig die Argumentation an, dass diese zu allgemein gefasst seien. Er weist jedoch darauf hin, dass niemand in der Lage ist, sämtliche spezifischen Szenarien in einer Patientenverfügung zu definieren.
Ein zusätzlicher Passus, der dem Bevollmächtigten erlaubt, im Sinne der Patientenverfügung zu entscheiden, ist ausschlaggebend. Viele Ärzte haben zudem eine emotionale Abneigung gegen das Sterben von Patienten, was oft zur Fortführung von Behandlungen führt, obwohl die Lebensqualität stark beeinträchtigt ist.
Diese emotionale Zurückhaltung könnte aus einer traditionell verankerten Berufsethik stammen, die das Leben über alles stellt, und steht im Widerspruch zu den heutigen rechtlichen Rahmenbedingungen, die das Selbstbestimmungsrecht des Patienten honorieren.
Putz erwähnt auch, dass finanzielle Anreize in der Lebensverlängerung eine Rolle spielen können. In dieser Hinsicht seien insbesondere Intensivpflegedienste und stationäre Einrichtungen lukrative Geschäftsfelder.
Oft sei es jedoch schwer nachzuweisen, dass Geld eine treibende Kraft für solche Entscheidungen sei, weshalb Ärzte stattdessen andere Argumente vorbringen.
Zudem gab es lange Zeit die Besorgnis unter Ärzten, rechtlichen Konsequenzen ausgesetzt zu sein, wenn sie die Behandlung einstellen.
Aktuelle Urteile, wie das des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, haben jedoch klargestellt, dass Ärzte keine Entscheidungen gegen den Willen eines Patienten treffen dürfen.
Abschließend stellt Putz fest, dass es auch Situationen geben kann, in denen Patienten aufgrund psychischer oder physischer Erkrankungen nicht entscheidungsfähig sind. Ein Gericht könnte in solchen Fällen eingreifen, um den Patienten zu schützen.
Das jüngste Urteil könnte als Wendepunkt in der medizinischen Behandlungspraxis in Deutschland angesehen werden, mit der klaren Botschaft, dass Ärzte für die Missachtung des Patientenwillens zur Verantwortung gezogen werden können.