Artikel vom 08.10.2025
Die Debatte um Pflegegrad 1 hat Fahrt aufgenommen. Im Raum steht der Vorschlag, diese Einstufung zu streichen, um die Pflegeversicherung finanziell zu entlasten. Genannt werden Einsparungen von rund 1,8 Milliarden Euro pro Jahr.
Damit ist ein sensibles Thema auf dem Tisch, denn betroffen wären Menschen, deren Alltag bereits spürbar eingeschränkt ist, auch wenn sie noch vieles selbst schaffen.
Pflegegrad 1 gibt es seit 2017. Er richtet sich an Menschen mit nur leicht eingeschränkter Selbstständigkeit. Zwar umfasst er keine klassischen Pflegesachleistungen, dennoch bietet er spürbare Hilfe: den Entlastungsbetrag von 131 EUR im Monat, Zuschüsse für barrierearme Umbauten und kleine Unterstützungen im Alltag.
Für viele ist das nicht nur Beiwerk, sondern die Voraussetzung, länger im vertrauten Zuhause zurechtzukommen. Auch Angehörige profitieren von dieser Pflegestufe, denn sie werden entlastet und können ihre Pflegeaufgaben besser planen.
Befürworter der Streichung verweisen auf knappe Mittel und klare Prioritäten: Leistungen sollten dort ankommen, wo der Bedarf am größten ist. Aus ihrer Sicht bindet Pflegegrad 1 Ressourcen, ohne unmittelbaren Pflegeaufwand abzudecken.
Deshalb möchten sie Mittel auf höhere Pflegegrade bündeln, um die Versorgung schwerer Pflegebedürftiger zu sichern. Das scheint plausibel, berührt jedoch eine Grundsatzfrage nach der gesellschaftlichen Verantwortung in der Pflege.
Einige Fachleute sehen in einer Reduzierung außerdem die Chance, Bürokratie zu verringern, weil Anträge und Prüfungen in diesem Bereich entfallen würden.
Sozialverbände und zahlreiche Stimmen aus der Politik warnen vor Folgewirkungen. Fällt die niedrigschwellige Unterstützung weg, kann das den Alltag vieler Betroffener unmittelbar erschweren.
Manche würden früher in höhere Pflegegrade rutschen, weil präventive Hilfen fehlen. Das erhöht am Ende womöglich die Kosten und belastet Angehörige sowie ambulante Dienste stärker. Hinzu kommt die symbolische Ebene: Pflegegrad 1 signalisiert, dass auch leichte Einschränkungen ernst genommen werden.
Ein Wegfall könnte daher das Vertrauen in das Pflegesystem beschädigen. Kritikerinnen und Kritiker betonen, dass Pflegepolitik nicht nur kurzfristige Finanzfragen lösen darf, sondern auf langfristige Stabilität setzen muss.
In der Koalition gibt es unterschiedliche Positionen. Einige wollen ergebnisoffen diskutieren, andere lehnen die Abschaffung klar ab.
Bei der Auseinandersetzung geht es nicht nur um Budgetzahlen. Es geht um Verlässlichkeit, um Fairness zwischen Generationen und um die Frage, wie präventive Unterstützung in einem alternden Land organisiert sein muss.
Die Diskussion hat damit eine hohe Signalwirkung: Sie zeigt, ob Politik bereit ist, auch kleinere Leistungen zu verteidigen, wenn diese gesellschaftlich wichtig sind.
Pflegegrad 1 ist mehr als eine kleine Zusatzleistung. Er stabilisiert Alltage, entlastet Angehörige und wirkt präventiv, weil Hilfe früh ansetzt. Jede Reform, die seine Abschaffung erwägt, muss zeigen, wie finanzielle Entlastung, verlässliche Unterstützung und Planbarkeit zugleich gesichert werden. An diesem Maßstab entscheidet sich ihre Glaubwürdigkeit.